Boys wear blue, girls pink
VIENNA ART WEEK 2011
Boys wear blue, girls pink
Anlässlich der Eröffnung Mittwoch 16. November ab 19 Uhr
- Performance Jasmin Schaitl 19:30 Uhr
- Performance Monika Klengel 20:30 Uhr
Ausstellungsdauer 17. Nov. - 27. Nov. 2011
geöffnet Donnerstag, Freitag und Sonntag von 17-20 Uhr
Barichgasse 6/1, 1030 Wien
Siehe auch Presse
Vienna Art
Die BILDETAGE nähert sich im November mittels der Ausstellung girls wear pink, boys blue dem kontrovers diskutierten Zusammenhang zwischen Geschlecht, Körperlichkeit und Performativität. Damit rückt ein ungefähr 15 jähriges Feld transdisziplinärer Theorien und politscher sowie künstlerischer Praxen (häufig mit dem Schlagwort queer auf einen Begriff gebracht) in den Fokus der zweiwöchigen Ausstellung und vereint künstlerische ebenso wie wissenschaftliche Beiträge.
Insbesondere die Arbeiten der us-amerikanischen Philosophin Judith Butler gelten gemeinhin als Ausgangspunkt und zentraler Gegenstand des queer-feministischen Diskurses. Bekanntlich leistete sie vor allem mit ihrer radikalen Auflösung des sex/gender-Gegensatzes einem anti-essenzialistischen Körperverständnis Vorschub, welches die Verschränkung zwischen Körperlichkeit und Macht betont und sich gegen jeden biologistischen Zugang zu Geschlecht und Sexualität richtet. Demnach kann die Unterscheidung zwischen dem biologischen Geschlechtskörper (sex) und der sozial konstruierten Geschlechtsrolle (gender) nicht aufrechterhalten werden, da die Vorstellung des biologischen Geschlechts ebenfalls niemals ahistorisch und als außerhalb von Diskursen gelesen werden kann. Geschlecht und Sexualität sind somit als Effekte machtvoller Regulierungsmechanismen zu verstehen, und nicht als natürliche Tatsachen.
Jene Trias aus biologischem Geschlecht (sex), geschlechtlicher Identität (gender) und Begehren (sexuelle Praxis), die dem normalisierten Verhalten der Geschlechter entspricht, wird seit Butlers Text „Das Unbehagen der Geschlechter“ unter dem Begriff „heterosexuelle Matrix“ diskutiert und kritisiert. Insbesondere die Kritik an Ausschlusslogiken, die aus der Konstruktion einer binären Geschlechtsstruktur (Mann und Frau) und heterosexueller Normalisierung resultieren, kann somit als gemeinsames Moment der heterogenen, zeitgenössischen queer-feministischen Theoriearbeit und Praxis verstanden werden.
Im Begriff queer ist die Verletzung des Subjekts bereits eingeschrieben. Der Zwang die normalisierte Geschlechtsidentität im Rahmen der heterosexuellen Matrix aufrechtzuerhalten
artikuliert sich als performative Wiederholung von Sprechakten, Verhaltensweisen, und Gesten. Das derart regulierte Gegenübertreten im sozialen Raum weist den einzelnen Subjekten Plätze innerhalb oder außerhalb enger Kategorien zu. Die heterosexualisierte Normalität konstruiert so das Andere/Abweichende permanent durch die Aufrechterhaltung einer kulturellen Grammatik deren subtile Regeln bereits sehr früh in die Subjekte eingeschrieben werden. Die Zurichtung der Subjekte auf die Normen der heterosexuellen Matrix erfordert also stets die Konstruktion des Nicht-Normalen, deren Produktivität darin liegt, sich als Mann oder als Frau überhaupt erst fühlen zu können. Der Vielfalt der Körper, Geschlechter und Begehrensweisen muss immerzu Gewalt angetan werden um die Normalisierung aufrechtzuerhalten – daraus entsteht das Unbehagen der Geschlechter und die Verletzbarkeit aller Körper, genders und Begehrensweisen, die von der normalisierten Matrix abweichen. Diese Form der herrschaftssichernden Kategorisierung durchkreuzt und verdichtet sich in den einzelnen Subjekten mit anderen identitätsbildenden Ausschlussregimen (wie etwa sozio-ökonomischer Status, Herkunft, Hautfarbe, etc.). Die zitathafte Wiederholung dieser Normen findet zwar in der Tiefenstruktur sozialer Interaktion statt, ist aber niemals endgültig und somit auch niemals gegen Zugriffe, Einschnitte und Verschiebungen gefeit.
Der paradigmatische Leitslogan des Feminismus der 70er Jahre: Das Private ist Politisch! weitet sich im zeitgenössischen queer-feministischen Diskurs auf eine vollständige Politisierung des Alltäglichen aus. Nicht nur der konstruierte Gegensatz privat/öffentlich wird aufgelöst, sondern die gesamte Sphäre der sozialen Interaktion (Gesten, Sprechweisen, Körper, etc.) wird als machtvoll konstituiert und historisch – und somit politisch – betrachtet.
Die in der Ausstellung girls wear pink, boys blue gezeigten Arbeiten bewegen sich auf jeweils unterschiedlichen medialen Ebenen um das genannte Feld und verweisen damit auf jenen sehr breiten queer-feministischen Diskurs. Es wird somit wieder einmal laut nachgedacht über Formen der Determination und deren Effekte – ein viel diskutiertes Thema und gerade deshalb immer wieder einen Blick/Gedanken wert.
Text, Simon Stockinger
Erik Alkema, Linda Bannink and Diego Gutierrez (NL)
Annegret Bauer (A)
Karin Ferrari (IT)
Monika Klengel (A)
Meike Martijn (NL)
Marie-Luise Ott (A)
Bojana Rajevic (SRB)
Jasmin Schaitl (A)
Simon Stockinger (A)
die Trude (A)
Hannah Weinhardt (A)
Stefan Wirnsperger (A)
Zeit-Ton extended, "comfortzone im Kaleidoskop der Nacht". Gestaltung: Susanna Niedermayr mit Christina Nemec
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